Totholz im Harz

„Naturnähezeiger“: Seltene Tubulicrinis-Pilze auf Totholz im Nationalpark Harz nachgewiesen

Wissenschaftlern gelang im Großschutzgebiet ein deutscher Erstnachweis des Rindenpilzes Tubulicrinis regificus.

Der Bereich der Kernfläche 2 in der Waldforschungsfläche Bruchberg, reich an liegendem und stehendem Totholz. Die Entwicklung der Waldbestände am Bruchberg wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch Störungen wie Stürme und Borkenkäferbefall geprägt. (Foto: U. Springemann
Der Bereich der Kernfläche 2 in der Waldforschungsfläche Bruchberg, reich an liegendem und stehendem Totholz. Die Entwicklung der Waldbestände am Bruchberg wurde in den vergangenen Jahrzehnten durch Störungen wie Stürme und Borkenkäferbefall geprägt.
Foto: U. Springemann

Wernigerode, 27. Oktober 2022. Die in den vergangenen Jahren in Folge von Störungen wie Windwürfen, extremen Witterungsverhältnissen und Borkenkäferbefall im erheblichen Umfang entstandenen Mengen an liegendem und stehendem Fichten-Totholz waren Anlass, die Untersuchungen der totholzzersetzenden Pilze im Nationalpark Harz zu intensivieren. Im Jahr 2022 lagen die Untersuchungsschwerpunkte in den naturnahen Bergfichtenwäldern der Waldforschungsflächen Bruchberg und Brockenosthang in den Hochlagen des Nationalparks. Dabei gelang unter anderem ein deutscher Erstnachweis des Rindenpilzes Tubulicrinis regificus. Drei weitere Tubulicrinis-Arten wurden erstmals im Nationalpark Harz nachgewiesen. Insgesamt sind nun sieben Arten aus der Gattung Tubulicrinis im Nationalpark Harz belegt. Nahezu alle Arten dieser Gattung sind selten und gelten als Naturnähezeiger. Ihr gehäuftes Auftreten und das beim Vorkommen mehrerer Arten in den beiden Waldforschungsflächen unterstreicht die Wertigkeit und Naturbelassenheit dieser Gebiete. Die Kartierungen erfolgten durch Andreas Gminder und Sylvia Heidemann aus Goslar.

Die beiden Waldforschungsflächen Bruchberg und Brockenosthang repräsentieren die naturnahen Bergfichtenwälder in den Hochlagen des Nationalparks Harz. Neben der dominierenden Baumart Fichte ist der Anteil an Mischbaumarten wie Moor-Birke und Eberesche gering. Sehr vereinzelt sind noch Reste der Altfichten vorhanden. Die Untersuchungsflächen befinden sich in Höhenlagen über 800 m ü. NHN. Die bisherigen Untersuchungen der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt und des Nationalparks Harz zu den Waldstrukturen belegen, dass der lebende Baumbestand eine hohe kleinflächige Heterogenität im Untersuchungsgebiet aufweist. Auch zeigt sich eine hohe Strukturvielfalt innerhalb der Fläche. Die Fichtenverjüngung, die räumlich sehr heterogen ist, hat sich im ausreichenden Maße etabliert.

Der hohe Totholzanteil bietet eine gute Grundlage für eine Moderholzverjüngung, was wiederum für die Strukturvielfalt des Folgebestandes förderlich ist. Die Ergebnisse der Waldstrukturaufnahme 2015 am Brockenosthang zeigen, dass mit 184 m3/ha bereits ein hoher Vorrat an liegendem und vor allem stehendem Totholz vorhanden ist. Das belegt auch ein Vergleich mit dem Bruchberg. Hier lag die Totholzmenge 2018 bei 101 m3/ha. Deutschlandweit ermittelte die 3. Bundeswaldinventur 2012 einen Wert von 20,6 m3/ha.

Die gezielten Kartierungen der holzbewohnenden Pilze in den beiden Waldforschungsflächen ergaben mehrere Kollektionen von Tubulicrinis-Arten, einer Gattung von Rindenpilzen, die dünne helle Beläge auf morschem Nadelholz bilden. Die einzelnen Arten lassen sich nur anhand mikroskopischer Details unterscheiden. Mit Tubulicrinis regificus konnte hierbei ein Erstfund für Deutschland verzeichnet werden. Die Arten Tubulicrinis borealis, T. strangulatus und T. subulatus wurden erstmals im Nationalpark Harz nachgewiesen. Diese Arten zeichnen sich durch besonders auffällige, optisch ansprechende Mikroelemente aus.

Eine wissenschaftliche Langversion zu den Funden ist auf der Internetseite des Nationalparks Harz im Download-Bereich „Wissenschaftliche Arbeiten“ bei den Beiträgen des Jahres 2022 zu finden: www.nationalpark-harz.de/de/downloads/wissenschaftliche-arbeiten/

Tubulicrinis regificus, Lupenaufnahme. Foto: A. Gminder
Tubulicrinis regificus, Lupenaufnahme. Foto: A. Gminder
Typischer Tubulicrinis-Standort mit stark zersetzten Fichtenstämmen in feuchter Lage, am Bruchberg bei Torfhaus. (Foto: A. Gminder
Typischer Tubulicrinis-Standort mit stark zersetzten Fichtenstämmen in feuchter Lage, am Bruchberg bei Torfhaus. Foto: A. Gminder