Wiesenpieper Foto G. Karste

Freilaufende Hunde beunruhigen die Wildtiere, darum müssen sie im Nationalpark angeleint werden

Im Nationalpark gelten ganzjährig Leinenpflicht und Wegegebot. In der Brut- und Setzzeit sollten sich Besucher besonders rücksichtsvoll verhalten.

Wernigerode, 05. April 2023. Der Frühling ist die Zeit, in der die meisten heimischen Tiere ihren Nachwuchs zur Welt bringen. So beginnt im April für viele Vögel die Brutzeit. Bis in den Sommer sind sie mit dem Brutgeschäft und der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt. Auch viele Säugetiere bekommen im Frühjahr ihre Jungen. Unsere Wälder, Felder und Wiesen sind in dieser Zeit die reinsten Kinderstuben. Zum Schutz der Wildtiere und besonders ihres Nachwuchses gilt deshalb während der Brut- und Setzzeit eine besondere Aufsichtspflicht über Hunde auf und an allen Grünflächen: Sie müssen in der freien Landschaft stets angeleint sein und dürfen nicht unbeaufsichtigt herumlaufen. Diese Vorschrift dauert in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gesetzlich geregelt vom 1. April bis 15. Juli.

Freilaufende Hunde können die Wildtiere beunruhigen und damit gefährden. Während der Brut- und Aufzuchtzeit des Nachwuchses sind Vögel und andere wildlebende Tierarten besonders störempfindlich. Im Nationalpark Harz gilt zum Schutz der Wildtiere, von denen viele gefährdet und streng geschützt sind, sogar das ganze Jahr über eine Leinenpflicht für Hunde. Gerade für bodenbrütende Vögel sind freilaufende Hunde problematisch. Im Nationalparkgebiet betrifft das z. B. Waldschnepfe, Wiesenpieper oder Waldlaubsänger. Die Hunde stellen so – neben den natürlichen Fressfeinden wie Füchsen oder Mardern – eine zusätzliche Gefahr dar. Dadurch verringern sich die Überlebenschancen der Jungvögel noch stärker. Selbst falls die Hunde Eier oder Jungvögel nicht fressen, so scheuchen sie meist die brütenden Eltern auf, was zu einem Auskühlen der Eier und damit Brutverlust führen kann. Und bei bedrohten Vogelarten kann es auf jedes einzelnen Jungvogel ankommen: Wiesenpieper beispielsweise sind auf der aktuellen Roten Liste der Brutvögel Deutschlands als „stark gefährdet“ eingestuft, Waldschnepfen sind auf der Vorwarnliste. Der Nationalpark Harz ist zu großen Teilen auch Vogelschutzgebiet und damit für den Vogelschutz von besonderer Bedeutung.

Hirschkälber, Fotofalle
Hirschkälber springen an Fotofalle vorbei.

Doch nicht nur Hunde müssen zum Schutz der Wildtiere an der Leine geführt werden: Auch für Menschen, die in der Brut- und Setzzeit in der freien Natur unterwegs sind, gilt es, besondere Rücksicht zu nehmen. Vor allem, wenn sie auf Jungtiere treffen, die vermeintlich von ihren Eltern verlassen wurden: Junge Rehe oder Hirschkälber zum Beispiel, die augenscheinlich „mutterseelenallein“ im Gras liegen. Setzzeit ist ein Begriff aus der Jägersprache und bezeichnet den Zeitraum, wenn das Wild seine Jungen bekommt („setzt“) und aufzieht. Rehkitze werden zwischen Anfang Mai und Ende Juni geboren und beim Rotwild setzen die Alttiere in der Regel im Juni ein Kalb, sehr selten auch zwei Kälber. Das Hirschkalb wird in den ersten Lebenswochen von den Muttertieren abgelegt. Das heißt, dass das Kalb vom Alttier zurückgelassen und nur zum Säugen vom Alttier wieder aufgesucht wird. Dieses Ablegen kann über mehrere Stunden erfolgen. Abgelegte Kälber zeigen noch keinen Fluchtinstinkt, sondern drücken sich vor drohender Gefahr auf den Boden und verlassen sich auf ihre Tarnung. Dies ist das natürliche Verhalten. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn man mal ein Hirschkalb oder Rehkitz findet, welches allein ohne Muttertier zu sein scheint. Auf keinen Fall darf das Jungtier angefasst werden, damit man keine menschliche Witterung hinterlässt. Es ist auch nicht erforderlich, dem Jungtier zu helfen. Stattdessen sollte zügig das Weite gesucht werden und der Bereich gemieden werden, damit das Alttier das Kalb wieder aufsuchen und mitnehmen kann.

Rehkitz, Foto G. Karste
Rehkitz im Nationalpark Harz, Foto G. Karste

Im Nationalpark Harz gilt ohnehin ein striktes Wegegebot: Besucher dürfen sich ausschließlich auf den beschilderten Wanderwegen aufhalten. Durch das Nationalparkgesetz ist es auch ausdrücklich verboten, „wild lebende Tiere an ihren Nist-, Brut-, Äsungs-, Wohn- oder Zufluchtstätten durch Aufsuchen, Fotografieren, Filmen oder ähnliche Handlungen zu stören“. Im Harzer Großschutzgebiet kommen 37 Tierarten vor, die besonders gefährdet sind.  Bei einigen Arten wie Luchs, Wildkatze oder Schwarzstorch trägt der Nationalpark regional, bundesweit oder sogar auf europäischer Ebene besondere Verantwortung für ihren Schutz und Erhalt. Zum Schutz der Wildtiere appellieren wir an alle Naturliebhaber und Besucher des Nationalparks, sich an diese Verhaltensregeln zu halten.

Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite des Nationalparks Harz unter www.nationalpark-harz.de/de/natur-erleben/verhalten-im-nationalpark/

FOTO 1: Ein Rehkitz im Nationalpark Harz. Rehkitze und Hirschkälber werden in den ersten Lebenswochen von den Muttertieren abgelegt. Das heißt, dass das Jungtier allein zurückgelassen und nur zum Säugen vom Alttier aufgesucht wird. Auf keinen Fall darf das Jungtier angefasst werden, damit man keine menschliche Witterung hinterlässt. Foto: Dr. Gunter Karste, Nationalpark Harz;

FOTO 2: Hirschkälber im Nationalpark Harz. Aufnahme einer Fotofalle. Foto: Nationalpark Harz;

FOTO 3: Wiesenpieper im Nationalpark Harz. Gerade für bodenbrütende Vögel sind freilaufende Hunde problematisch. Selbst falls die Hunde Eier oder Jungvögel nicht fressen, so scheuchen sie meist die brütenden Eltern auf, was zu einem Auskühlen der Eier und damit Brutverlust führen kann.  Foto: Dr. Gunter Karste, Nationalpark Harz;