Schülerinnen und Schüler der Oberschule Rosengarten pflanzen bei Braunlage Moorbirken.
Wernigerode, 21. April 2023: Jährlich am 25. April wird der Tag des Baumes in Deutschland begangen. Jedes Jahr im Oktober wählt die Dr. Silvius-Wodarz-Stiftung eine Baumart als Baum des Jahres aus. Ziel ist es, den Wald mit seinen komplexen Ökosystemen in das gesellschaftliche Bewusstsein zu bringen. Begleitet wird der Tag des Baumes mit Pflanzaktionen und Informationsveranstaltungen rund um das Thema Wald. Die Aktivitäten stehen unter dem Hauptmotto: “Menschen für Bäume und Kinder brauchen Natur“. Auch im Nationalpark Harz pflanzten Schülerinnen und Schüler den Baum des Jahres 2023 – die Moorbirke. Diese sehr seltene Baumart ist an nährstoffarme Nassstandorte und Moore gebunden. Im Nationalpark Harz findet sie in den ausgedehnten Moorflächen und anmoorigen Standorten einen passenden Lebensraum.
Obwohl die Sonne strahlt, pfeift den Schülerinnen und Schülern des achten Jahrgangs der Oberschule Rosengarten ein kalter Wind um die Ohren. Davon jedoch lassen sie sich nicht abschrecken, sondern pflanzen fleißig Moorbirken, den Baum des Jahres 2023, am Rande eines Baches im Nationalpark Harz in der Nähe von Braunlage.
Grundsätzlich kann jede Baumart Baum des Jahres werden, wichtige Auswahlkriterien sind Seltenheit, ökologische Bedeutung auch in Zusammenhang mit dem zugehörigen Ökosystem wie z. B. dieses Jahr mit der Moorbirke. Aber auch wirtschaftliche Bedeutung kann ein Auswahlkriterium sein. Bisherige Bäume des Jahres waren z. B. 1990 die Rotbuche, 1997 die Eberesche, 2009 der Bergahorn, 2014 die Traubeneiche, 2017 die Fichte, und im vergangenen Jahr noch einmal auf Grund ihrer besonderen Bedeutung in unseren Wäldern, die Rotbuche.
Die Schulklasse aus Rosengarten südlich von Hamburg ist untergebracht im Jugendwaldheim Brunnenbachsmühle, einer Bildungseinrichtung des Nationalparks Harz. In den zwei Wochen ihres Aufenthaltes lernt sie verschiedene Naturschutztätigkeiten kennen.
Angeleitet von Forstwirten der Nationalpark-Försterei Torfhaus und des Jugendwaldheims erfahren die Schülerinnen und Schüler unter anderem, wie sie durch Pflanzungen von jungen Bäumen der Natur unter die Arme greifen können. Neben der Moorbirke werden auch Buchen gepflanzt, diese wiederum werden die Samenbäume künftiger wilder Waldgenerationen darstellen.
Am Ende ihres Jugendwaldheimaufenthaltes haben die Schülerinnen und Schüler nicht nur eine Klassenfahrt der etwas anderen Art im Harz verbracht: Sie werden auch mit dem guten Gefühl abreisen, sich auf unterschiedliche Weise aktiv für den Naturschutz beteiligt zu haben.
Die Moorbirke als Baum des Jahres 2023 – warum sie gerade für den Nationalpark Harz so wichtig ist
Mit der Wahl zum Baum des Jahres einen Fokus auf die Moorbirke zu setzen, hat gute Gründe:
- Die Moorbirke ist eine sehr seltene Baumart, die an nährstoffarme Nassstandorte und Moore gebunden ist.
- Die Aufmerksamkeit auf den Klimawandel und die damit verbundenen Auswirkungen auf auch noch intakte Moore werden mit dieser Baumart deutlich
- Im Nationalpark Harz mit den ausgedehnten Moorflächen und anmoorigen Standorten ist die Moorbirke eine wichtige Baumart, die leider nicht so häufig vorkommt. Sie kann als Weiserbaumart auf intakte, nährstoffarme Moore hinweisen.
In Deutschland kommen zwei Birkenarten vor, die Sandbirke oder Hängebirke als häufigste Art und die Moorbirke. Sandbirke und Moorbirke sind leicht an den Zweigen zu unterscheiden, die der Sandbirke sind mit kleinen Warzen (Harzdrüsen) überzogen und fühlen sich rau und sandig an. Bei der Moorbirke sind die jungen Zweige fühlbar behaart, „flaumig“ und ohne Harzdrüsen. Beide Birkenarten haben eine wunderschöne, goldgelbe Herbstfärbung, die meist bis in den November anhält und im grauen Novembernebel Lichtakzente setzen kann.
Wichtigstes Erkennungsmerkmal beider Birkenarten ist ihre weiße Rinde. Damit können die Birken durch Reflexion der Sonneneinstrahlung auf der Freifläche die Temperatur der Rinde deutlich reduzieren und damit das empfindliche Wachstumsgewebe unter der dünnen Rinde schützen. Die weiße Rindenfarbe kommt durch den Farbstoff Betulin zu Stande, der namensbildend für die wissenschaftlichen Namen ist, nämlich Betula pendula für die Sand- oder Hängebirke und Betula pubescens für die Moorbirke.
Birken können 20 bis 30 m hoch werden und einen Stammumfang von 2,50 bis 3m erreichen. Ihr Höchstalter liegt bei 80, manchmal auch um die 100 Jahre. Aufgrund ihres hohen Lichtbedarfs beim Wachsen, der frühen Fruktifikation und ihrer großen Fruchtanzahl, die weit vom Wind verweht werden, sind sie der Inbegriff der Pionierbaumart.
Die Fähigkeit, schnell zur Stelle zu sein, um Flächen neu zu besiedeln und sich dort oft als Reinbestand zu etablieren, gewinnt vor dem Hintergrund des Klimawandels an Bedeutung. Im Nationalpark Harz sind insbesondere auf der Nordabdachung größere Birkenflächen, hier die Sandbirke, nach Absterben der Fichtenreinbestände durch Dürre und Borkenkäfer entstanden. Die Sandbirke verfügt über eine hohe Anpassungsfähigkeit, die bei anhaltender oder zeitweiser Trockenheit auch in intakten Mooren durchaus zu einer Verdrängung der seltenen Moorbirke führen kann.
Harzer Moore sind Rückzugsraum für seltene Arten
Wissenschaftliche Untersuchungen von A. ROLOFF an fast 2000 Birken in Mooren in Sachsen und anderen Bundesländern haben ergeben, dass 97 % der Birken in diesen Mooren Sandbirken sind. Damit wird deutlich, welche große Verantwortung wir im Harz für den Erhalt unserer Moore mit ihrer besonderen Vegetation haben. Rund 2.000 ha des Nationalparks Harz sind vermoort. Die meisten Moore liegen im regenreichen Westteil des Hochharzes zwischen 700 und 1.100 Meter Höhe. Die Harzer Moore zählen zu den besterhaltenen in Deutschland.
Durch ihre Ursprünglichkeit und das eher skandinavisch geprägte Klima haben die Harzer Moore als Rückzugsraum für seltene Arten wie eben die Moorbirke oder auch die „Libelle des Jahres“, die Alpen-Smaragdlibelle, eine europaweite Bedeutung für den Naturschutz und die Wissenschaft.
„Natur Natur sein lassen“ ohne menschliche Einflüsse ist wichtige Aufgabe im Nationalpark Harz. Auf rund 75 % des nahezu 25.000 Hektar großen Schutzgebietes höchster Schutzklasse darf sich die Natur nach ihren eigenen Regeln entwickeln. Diese Prozesse werden durch Monitoring begleitet, z. B. auf der Waldforschungsfläche Bruchberg, wo es noch nennenswerte Bestände älterer Moorbirken gibt.
Foto 1: Emma und Sarah sind mit Eifer dabei, den Wald von morgen mitzugestalten. Foto: Thomas Schwerdt,
Foto 2: Der feine Flaum an den Zweigen verrät die Moorbirke. Foto: Thomas Schwerdt,
Foto 3: Seltener Bestand alter Moorbirken im Lerchenfeldmoor im Nationalpark Harz. Foto: Sabine Bauling