Die seltene Kreuzotter ist das Reptil des Jahres. Die Harzer Schutzgebietsverwaltung erforscht den Bestand der Schlangen.
Wernigerode, 15. März 2024. Die im Nationalpark Harz vorkommende Kreuzotter ist das Reptil des Jahres 2024. In Deutschland ist diese faszinierende Schlangenart leider stark gefährdet. Die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde (DHGT) will mit der Wahl zum Reptil des Jahres auf die Gefährdung aller einheimischen Kriechtiere hinweisen und für deren Schutz werben. In Sachsen-Anhalt gilt die Kreuzotter als seltenste Reptilienart und wird auf der Roten Liste des Bundeslandes als „vom Aussterben bedroht“ geführt. Auch in Niedersachsen wird sie als „stark gefährdet“ gelistet.
In der Vergangenheit war die Kreuzotter auch im Harz weit verbreitet, allerdings wurde der Bestand im 19. und frühen 20. Jahrhundert durch gezielte Verfolgung durch den Menschen stark dezimiert. Im Nationalpark Harz ist die kleine Giftschlange nach wie vor heimisch, jedoch ist sie auch hier sehr selten. Um mehr über den Bestand der Kreuzottern im Harzer Großschutzgebiet und auch über die anderen hier lebenden Schlangenarten herauszufinden, bittet die Nationalparkverwaltung die Besucher*innen um Mithilfe: Schlangensichtungen im Gebiet des Nationalparks können bei Fabian Schwarz gemeldet werden, der als Wissenschaftler im Nationalpark für diese Tiergruppe zuständig ist. Bedingt durch die geringe Bestandsdichte der Schlangen, den Strukturreichtum in den Lebensräumen und die schwierige Erfassung der Arten gelingen selbst im Rahmen planmäßiger wissenschaftlicher Untersuchungen nur wenige Beobachtungen. Ein größerer Teil der jüngsten Nachweise im Nationalpark beruht auf Zufallsfunden. So gelang im vergangenen Jahr zufällig der Erstnachweis einer Schlingnatter im Schutzgebiet.
Drei Schlangenarten leben im Nationalpark Harz
Die trockenheits- und wärmeliebende Schlingnatter wird aufgrund einer ähnlichen Grundfärbung oft mit der Kreuzotter verwechselt, kann aber durch die runden Pupillen und die in eine Fleckenreihe aufgelöste Rückenzeichnung gut von dieser unterschieden werden. Die dritte im Harz heimische Schlangenart ist die Ringelnatter, welche durch die hellen halbmondförmigen Flecken hinter dem Kopf eindeutig zu erkennen ist. Sie kann vor allem in Gewässernähe angetroffen werden. Die weit verbreitete, metallisch glänzende Blindschleiche dagegen gehört – trotz fehlender Gliedmaßen und schlangenähnlicher Gestalt – nicht zu den Schlangen.
Alle Reptilien, neben Schlangen vor allem die Eidechsen, sind in Deutschland besonders oder sogar streng geschützte Arten. Von den 14 in Deutschland vorkommenden Arten gelten neun als bestandsgefährdet, vier sogar als „vom Aussterben bedroht“. Die Reptilien sind laut Bundesamt für Naturschutz die Wirbeltiergruppe mit den höchsten Anteilen bestandsgefährdeter Arten und befinden sich in einer besonders alarmierenden Gefährdungssituation. Ursächlich für den deutschlandweit zu beobachtenden Bestandsrückgang speziell der Kreuzotter dürfte vor allem der Verlust geeigneter Lebensräume und die Isolation kleinerer Populationen sein. Die Art gilt als Verliererin des Klimawandels, da sie im Gegensatz zu anderen Reptilien an eher kühle und vor allem feuchte Habitate angepasst ist. Vermutlich stellen auch Fressfeinde wie Wildschweine oder Waschbären ein Problem für so manches Kreuzotter-Vorkommen dar.
Auch wenn sich viele Menschen vor Schlangen ekeln oder fürchten: Die in Deutschland vorkommenden Arten stellen keine Gefahr für Menschen dar. Sie sind scheu und meiden zumeist nahe Begegnungen mit Menschen. Das gilt auch für die Kreuzotter, die als Vertreterin der Vipern zu den Giftschlangen gehört. Bei Anzeichen einer Bedrohung wird eine Kreuzotter in der Regel frühzeitig flüchten und nur im äußersten Notfall zubeißen, etwa wenn man sie ergreifen will. Bissunfälle sind deshalb sehr selten und aufgrund der vergleichsweise geringen Giftmenge ist ein Kreuzotter-Biss für einen gesunden Erwachsenen auch meist nicht bedrohlich. Bei einer Begegnung empfiehlt es sich, ruhig zu bleiben und die Schlange nicht in die Enge zu treiben, um ihr unnötigen Stress zu ersparen, und sie vor allem nicht anzufassen, auch zum eigenen Schutz. Falls es doch einmal zu einem Bissunfall kommt, sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden.
Schlangen-Beobachtungen im Gebiet des Nationalparks können an Fabian Schwarz per E-Mail an fabian.schwarz@npharz.de oder telefonisch unter 03943/2628227 gemeldet werden. Ein mitgeschicktes Foto des Tieres hilft bei der zweifelsfreien Bestimmung und vergrößert zusammen mit konkreten Ortsangaben und dem Datum den Wert der Meldung ungemein. Auch Nachweise anderer Reptilienarten sind für die Arbeit im Nationalpark wertvoll und können gerne nach dem gleichen Prinzip übermittelt werden.
Alternativ – insbesondere für Beobachtungen außerhalb des Nationalparks – kann auch das Arten-Meldeportal des Land Sachsen-Anhalts genutzt werden, welches im Internet unter https://sachsen-anhalt.meldeportal.cloud/ erreicht werden kann.
FOTO 1: Eine Kreuzotter im Nationalpark Harz. Erkennbar ist die Kreuzotter durch das durchgehende, dunkle Zickzack-Band entlang des Rückens und die namensgebende x- oder v-förmige Kopfzeichnung. Die Iris besitzt eine senkrechte Schlitzpupille. Männliche Exemplare der Kreuzotter sind in der Regel grau gefärbt mit kontrastreicher, schwarzer Musterung und werden selten länger als 60 cm. Weibchen sind kräftiger gebaut, braun oder rötlich gefärbt mit weniger kontrastreichem Zickzack-Band und erreichen Längen von 80 cm. Foto: Fabian Schwarz;
FOTO 2: Eine Schlingnatter (auch Glattnatter genannt), eine ungiftige Schlange, die aufgrund einer ähnlichen Grundfärbung oft mit der Kreuzotter verwechselt wird. Bei genauer Betrachtung kann sie durch die runden Pupillen und die in eine Fleckenreihe aufgelöste Rückenzeichnung gut von der Kreuzotter unterschieden werden. Im vergangenen Jahr gelang zufällig der Erstnachweis einer Schlingnatter im Nationalpark Harz. Foto: Axel Schonert