– eine kleine Informationstafel allein ist nicht genug
Bad Lauterberg. Die ganze Welt diskutiert über die Verehrung falscher Helden, doch im vielbesuchten Kurpark von Bad Lauterberg steht seit 1908 eine Wissmann-Statue, unkommentiert und noch mit der Kolonialromantik der Kaiserzeit versehen. Denn in Bad Lauterberg sah man das Wirken des Kolonialkriegers und späteren Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika Hermann von Wissmann so positiv, dass man ihm drei Jahre nach seinem Tod ein Denkmal setzte und auch eine Straße nach ihm benannte. Die mehr als drei Meter hohe monumentale Bronzefigur wirft mit ihrem Denkmalumfeld einen bezeichnenden Blick auf die damalige Motivation zur Errichtung dieser Gedenkstätte. Am Sockel kann man lesen: „Deutschlands großem Afrikaner Hermann von Wissmann. Geb. den 4. Sept. 1853. Gest. den 15. Juni 1905. Das dankbare Vaterland“ sowie „Er kämpfte erfolgreich gegen den Sklavenhandel und für die Freiheit der Unterdrückten“. Gerade die zweite Formulierung ist ein Hohn, wenn man die gut erforschten grausamen Unterdrückungsfeldzüge von Wissmann bedenkt. Sein Lieblingsspruch „Ich finde oder ich mache mir einen Weg“ steht in Latein und Deutsch ebenfalls am Denkmal – ein zynischer Wahlspruch, denn Hermann von Wissmann überfiel im Zuge der Kolonialisierung Afrikas Dörfer, ließ sie plündern, die Häuser niederbrennen und Äcker zerstören. Wer sich ihm widersetzte, wurde erschossen. Er galt als grausamer Militärdiktator.
Die Stadt Bad Lauterberg hat sich nunmehr durch den öffentlichen Druck dahin drängen lassen, eine erste kleine Informationstafel am Denkmal anzubringen – über 100 Jahre nach der Einweihung und seitdem unkritischer Verehrung! Am Straßenschild prangt allerdings bis heute das Zusatzschild „Afrikaforscher“ – eine absolute Verniedlichung seines Wirkens. Schon zu Lebzeiten Wissmanns im Kaiserreich wurde sein rücksichtsloses Vorgehen hinterfragt – alles dieses findet sich am Denkmal und am Straßenschild nicht wieder.
Wir begrüßen die derzeit stattfindende Auseinandersetzung um die Wissmann-Straße und das Denkmal in Bad Lauterberg, vermissen jedoch einen maßgeblichen Ansatz, die Geschichte um Wissmanns Taten und die Geschichtsverfälschung, an der in Bad Lauterberg bis heute festgehalten wird, der historischen Bedeutung entsprechend öffentlich aufzuarbeiten, so die Lokalgruppe Harz der Organisation Seebrücke und der Verein Spurensuche in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Die Benennung einer Straße nach einer Persönlichkeit ist eine der größten Ehren, die eine Stadt vergeben kann. Diese Ehre darf unserer Auffassung nach keinem zu Teil werden, der massiv – auch gegen das zu seiner Zeit gültige Recht – verstoßen und die Menschenwürde nicht geachtet hat. So argumentiert beispielsweise der Hannoversche Bezirksbürgermeister Lothar Pollähne, in dessen Stadtbezirk Südstadt-Bult in einem langwierigen Ringen der nach dem Kolonialkrieger Carl Peters genannte Platz in Bertha-von-Suttner-Platz umbenannt wurde, das Denkmal jedoch stehen blieb, aber mit einer ausführlich erläuternden Tafel kommentiert wird. Der SPIEGEL nennt Bad Lauterberg gar einen „Hotspot der Wissmann-Heroisierung“. Welches Bild entsteht von der Stadt Bad Lauterberg, die ein wichtiger Harzer Kur- und Tourismusort ist, und auch vom gesamten Landkreis Göttingen, wenn die Straße nach Wissmann benannt bleibt und er dadurch weiterhin geehrt wird?
Auch was das Wissmann-Denkmal angeht, kann es nicht ausreichend sein, mit einer kleinen Tafel auf die entsetzlichen Taten Wissmanns und seiner Söldner hinzuweisen. Wir können uns stattdessen ein zusätzliches Mahnmal für die gefolterten und getöteten Afrikaner, das neben dem Denkmal Wissmanns steht, vorstellen. Der Granitblock zu Füßen des Denkmals, auf dem in lateinischer und deutscher Sprache der Lieblingsspruch Wissmanns „Ich finde oder ich mache mir einen Weg“ steht, zeigt seine rücksichtslose Gesinnung und sollte entfernt werden.
Wir sehen eine Notwendigkeit in der kritischen Aufarbeitung sowie eine Anerkennung der historischen Ereignisse und fordern eine konsequente Umsetzung. Auch Bad Lauterberg muss jetzt eine angemessene Kurskorrektur vornehmen! Wir wollen nicht mit Straßennamen leben, die nach einem Kriegsverbrecher, der viele Menschenleben auf dem Gewissen hat, benannt bleiben und dazu beitragen, dass ihm dadurch eine fragwürdige Ehre zu Teil wird.
Seebrücke Harz, Brigitte Maniatis
Fotos: Spurensuche Harzregion e.V., Dr. Friedhart Knolle