Bad Lauterberg. Jüngst wurde in Bad Lauterberg das Buch von Fabiana Kutsche, Dr. Stefan Cramer, Dr. Friedhart Knolle, Brigitte Maniatis und Martin Struck „Hermann von Wissmann und Bad Lauterberg – eine Spurensuche“ vorgestellt. Es ist das Ergebnis einer Informationsreihe, die im Herbst 2021 in der Stadt Bad Lauterberg im Harz stattfand. Gefördert wurde es durch die „Partnerschaft für Demokratie am Harz“ mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sowie durch den Jugendring Harzland e.V. als Träger der Partnerschaft für Demokratie im Altkreis Osterode am Harz und Bunt statt Braun Osterode am Harz e.V. als Projektträger. Die Ausarbeitung vermittelt neueste geschichtswissenschaftliche Erkenntnisse sowohl über die Person als auch das Leben des Hermann von Wissmann, dessen pompöses Denkmal im Kurpark von Bad Lauterberg steht. Das Buch will Diskussionen anregen sowie Schulen und Gesellschaft geschichtliche Erkenntnisse zu Hermann von Wissmann liefern.
Zur Veröffentlichung veranlasst hat die Autoren die oft unkritische Verehrung der historischen Person Wissmann – besonders noch in der Stadt Bad Lauterberg im Harz. Bad Lauterberg war ab 1878 der Wohnort seiner Mutter – zu einer Zeit, in der Wissmann längst allein in Rostock lebte. Andererseits wird die Person und Funktion Wissmanns weit über den Landkreis Göttingen hinaus, in dem sich Bad Lauterberg befindet, im Zuge der postkolonialen Diskussion zunehmend kritisch gesehen. Viele Wissmann-Straßen wurden inzwischen umbenannt, das Denkmal in Hamburg gar entfernt, denn das, was die sogenannte Wissmann-Truppe in Deutsch-Ostafrika anrichtete, würden wir heute als Völkermord klassifizieren.
Die Herangehensweise des Buchs ist bestimmt durch die Auswertung historischer Fakten. Ziel ist es, mit kritisch-analytischer Forschung folgende Fragen zu beantworten: Wer war die historische Person Hermann von Wissmann? Welche Rolle spielte Wissmann bei der Etablierung des deutschen Kolonialismus in der ehemaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ (heute Tansania, Burundi und Ruanda)? War Wissmann ein von Neugierde getriebener Afrikaforscher – oder war er Verantwortlicher und Wegbereiter der damaligen Gräueltaten in diesem Gebiet? War sein Handeln primär von Forschungsdrang bestimmt – oder handelte er vor allem im politischen Auftrag? Sind Wissmanns Reiseberichte und -erkenntnisse wissenschaftlich fundiert – oder handelt es sich, dem Zeitgeist des auslaufenden 19. Jahrhunderts geschuldet, bei ihnen eher um faszinierend-unterhaltsame Journal- und Buchbeiträge? Ist es zu verantworten, dass die Hauptdurchgangsstraße in Bad Lauterberg auch heute noch „Wissmannstraße“ heißt, sein Denkmal im dortigen Kurpark steht (erst jüngst mit einer Informationstafel mit wenigen kritischen Kommentaren versehen) und dass sich noch immer eine unkommentierte Gedenktafel am Wohnhaus seiner Mutter befindet? Irren andere Städte, in denen Wissmann-Denkmale längst entfernt und Wissmann-Straßen umbenannt oder mit geschichtswissenschaftlich präzisen Kommentaren versehen sind – und warum zögert Bad Lauterberg immer noch, dieses Thema aktiv anzugehen?
Aus dem Inhalt:
- Fabiana Kutsche: Hermann von Wissmann (1853 – 1905) – eine biographische Annäherung
- Stefan Cramer: Hermann von Wissmann – eine zu Unrecht geehrte Person
- Stefan Cramer, Dr. Friedhart Knolle, Brigitte Maniatis und Martin Struck unter Mitarbeit von Bernd Langer und Fritz Vokuhl: Chronologie des Widerstands gegen das Wissmann-Kolonialdenkmal
Kutsche, Fabiana, Cramer, Stefan, Knolle, Friedhart, Maniatis, Brigitte & Struck, Martin: Hermann von Wissmann und Bad Lauterberg – eine Spurensuche. – Spuren Harzer Zeitgeschichte, Heft 9, 47 Seiten, Clausthal-Zellerfeld 2022
Bezug über den Verein Spurensuche Harzregion per E-Mail fknolle@t-online.de
Abbildungen: Buchcover, Straßenschild „Wissmannstraße“ (Foto Fritz Vokuhl).