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Neuerscheinung: Die Flora des Nationalparks Harz

Cover Schriftenreihe 19 Nationalpark HarzWernigerode. Soeben erschien ein mit 575 Seiten besonders umfangreicher Band aus der wissenschaftlichen Schriftenreihe des Nationalparks Harz – es geht um die Flora des Schutzgebiets. Ein Team von elf Autoren hat über viele Jahre das aktuelle Fachwissen über das zusammengetragen, was im Nationalpark Harz floristisch wächst und gedeiht. Insgesamt 1.200 Farn- und Blütenpflanzenarten werden in Text und mit 850 farbigen Abbildungen beschrieben.

Seit der Gründung der Nationalparke im Harz und besonders nach deren Fusion zu einem länderübergreifenden Nationalpark erfolgt eine intensive wissenschaftliche Arbeit. Diese Arbeit hat zuerst in der Inventarisierung der Lebensräume einen Schwerpunkt, der sich zukünftig mehr und mehr auf die Dokumentation der Entwicklungsverläufe in den Ökosystemen verlagern wird. Noch aber ist die Bestandsaufnahme vieler Artengruppen nicht abgeschlossen.

Im Schutzgebiet wurden rund 1.200 Arten an höheren Pflanzen nachgewiesen, das sind etwa 35 % des gesamtdeutschen Artenbestands. Und das angesichts der Tatsache, dass der Nationalpark Harz mit seinen 24.732 ha zwar einer der größten Waldnationalparke Deutschlands ist, aber nur etwa 0,07 % der Fläche der Bundesrepublik einnimmt.

Wie bereits für die in vorangegangenen Bänden aufgelisteten Moose (44 %), Pilze (30 %) und Flechten (26 %) entsprechend, wird deutlich, dass das Schutzgebiet eine außergewöhnlich hohe Artenvielfalt und Artendichte in seinen Naturräumen hat. Die Flora korrespondiert dabei sehr eng mit der für den Nationalpark erarbeiteten Vegetationskarte (kartografische Erfassung der Pflanzengesellschaften), d. h. der nächsthöheren Ebene der Organisation in den Ökosystemen.

Der Darstellung des aktuellen Pflanzenbestands ist eine kurze Geschichte der floristischen Erforschung des Nationalparks vorangestellt, die erkennen lässt, dass die Tradition dieser Forschung bis in das 16. Jh. zurückreicht. Brocken, Heinrichshöhe, Bruchberg und Rehberg sowie die Oberharzer Moore waren geradezu klassische botanische Exkursionsziele. So wurde im Harz auch die weltweit erste Flora geschrieben. Aus der Übersicht zur aktuellen Zusammensetzung der Flora im Nationalpark  ergibt sich, aus welchen Vegetationszonen Arten nacheiszeitlich in den Harz eingewandert sind. Dabei zeigt die Einschätzung der Natürlichkeit der Florenausstattung, dass nur etwa die Hälfte der heutigen Arten als im Nationalpark indigen, d. h. standortheimisch betrachtet werden kann. 80 Arten sind als Folge der Kultur durch den Menschen sog. Alteinwanderer (Archäophyten), knapp 70 Arten sind Neophyten. Fast 150 Arten kamen durch Kultur in das Gebiet, ganz überwiegend infolge forstlicher Anpflanzungen. Anderen Arten wurde durch die Veränderung der Landschaft durch den Menschen erst Lebensraum geschaffen. Es ist zu erwarten, dass diese Arten der „Kulturlandschaft“ mit zunehmender Naturnähe in den Lebensräumen des Nationalparks abnehmen werden.

Es werden auch aktuelle Themen aufgegriffen. So gibt es Hinweise auf Arten, deren Ausbreitung und Wachstum mit dem Klimawandel in Zusammenhang stehen, zum Vorkommen von „salztoleranten“ Arten an Straßenrändern, zum Einwandern von Neophyten und zum Rückgang von autochthonen und lange im Gebiet beheimateten Arten usw.

Welche Bedeutung hat die Bestandsaufnahme der Flora?
Der Harzer Nationalparkplan ist die praktische Leitlinie und schreibt die Schritte der Umsetzung der langfristigen Nationalparkkonzeption fest. Diese Fachplanung setzt eine möglichst genaue Kenntnis der vorhandenen Artengarnitur voraus, von den Algen über Pilze bis zu den Säugetieren. Die über 25 Jahre zusammengetragenen Daten zu den höheren Pflanzen sind zentraler Baustein, da diese Pflanzen den Hauptanteil der Biomasse ausmachen und Grundlage für das Leben vieler anderer Artengruppen bilden. Trotz der langen Bearbeitungszeit, die einfach der Größe des Gebietes und der schweren Zugänglichkeit vieler Bereiche geschuldet ist, ist mit der Flora des Nationalparks Harz die Ausgangssituation beschrieben, von der die auf Jahrhunderte ausgerichtete Rückkehr zu sekundären Naturwäldern eingeleitet wurde. Es ist dies also die Artenausstattung auf der „Startlinie“, die sehr detailliert erfasst ist, und auf die in späteren Jahrzehnten und Jahrhunderten immer wieder Bezug genommen werden kann. Für ein Schutzgebiet wie den Nationalpark, der die Naturdynamik zum wichtigsten Weg in die Zukunft erklärt hat, ist das ein unverzichtbarer Bezugspunkt. Da wir gegenwärtig dramatische Umbrüche in den Wäldern sehen, wird die Flora der ersten Stunde in allen Facetten so auch nicht mehr zu beobachten sein.

Gewöhnliche Moosbeere (Vaccinium oxycoccos). Foto: Wilfried Störmer
Gewöhnliche Moosbeere (Vaccinium oxycoccos). Foto: Wilfried Störmer

Wer hat die Arbeiten an der Flora ausgeführt?
Das Zusammentragen der Fundortangaben zu den 1.200 Pflanzenarten ist ein Gemeinschaftswerk vieler Beobachter. Dazu gehören ausgewiesene Botaniker, die die Nationalparkverwaltung ehrenamtlich oder über bestimmte Auftragsvergabe unterstützt haben sowie zahlreiche Spezialisten für bestimmte Artengruppen und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nationalparkverwaltung sowie der angeschlossenen Nationalparkhäuser. Insgesamt wirkten etwa 60 externe Mitstreiter mit. Das Gros des Bildmaterials steuerte Wilfried Störmer bei, der seine Arbeit im Nationalpark als Waldführer begann und noch heute ausführt. Die Federführung bei der Zusammenstellung der Daten und der Textgestaltung lag bei Dr. H.-U. Kison, bis 2016 Leiter des Fachbereichs Naturschutz, Forschung und Dokumentation. Die Redaktion des 575-seitigen Werkes lag in bewährter Weise bei Dr. Andrea Kirzinger und Ingrid Nörenberg, unterstützt durch Ute Springemann und Andreas Marten.

Leberblümchen (Hepatica nobilis), Foto: Wilfried Störmer
Leberblümchen (Hepatica nobilis), Foto: Wilfried Störmer

Was bringt die Flora Neues?
Es gab 2004 bereits eine Florenliste für den damaligen sachsen-anhaltischen Nationalpark Hochharz. Diese bildete den Grundstock für den heutigen Teil des gemeinsamen Nationalparks im Land Sachsen-Anhalt. Nach der Fusion der Parke wurde nun auch der niedersächsische Teil aktuell erfasst. Die Fundortangaben werden auf der Grundlage von topografischen Karten 1:25.000 mitgeteilt und sind den jeweiligen Länderteilen zugeordnet, so dass die Daten Eingang in die Länderkartierungen durch den NLWKN Hannover und das LAU Halle finden können. Die Fundortangaben erfolgen sehr detailliert und können so die Grundlage für weiterführende Untersuchungen sein (z.B. Pilze oder Insekten, die von oder an den Arten leben). Erstmals sind die Brombeeren des Nationalparks mit rund 50 Arten aufgenommen. Diese schwer bestimmbare Gruppe wurde von Werner Illig (Ilsenburg) bearbeitet. Da die Brombeeren in ihren Beständen stark zunehmen, ist hier eine wichtige Basiserfassung erfolgt. Neu ist auch die Aufnahme von im Harzer Schrifttum nachweisbaren volkstümlichen Pflanzennamen. Diese werden nicht nur genannt, sondern es wird auch erläutert, worauf diese Pflanzenbenennungen Bezug nehmen.

An wen richtet sich die Nationalparkflora?
Zu allererst ist die Flora eine Dokumentation und Arbeitsgrundlage für das Schutzgebiet. Die Daten haben zentrale Bedeutung für die zukünftige Erfüllung der Monitoring-Aufgaben (Waldforschung, Vegetationsentwicklung), aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung des Nationalparks. Das Buch soll aber auch alle an der Botanik Interessierten ansprechen und anregen, die Pflanzenwelt des Oberharzes kennenzulernen. Dem kommt entgegen, dass die aufgeführten Fundortangaben ganz überwiegend an Wegen und für jeden zugänglichen Stellen erfolgen (Wegegebot). Diesem Anliegen dient auch die reiche Bebilderung mit 850 Pflanzenaufnahmen, z.T. als eindrucksvolle Detail- und Makrofotografien. Mit entsprechenden Vorkenntnissen oder dem Einsatz moderner Smartphone-Apps für die Pflanzenbestimmung können die eigenen Beobachtungen über die Abbildungen abgeglichen werden.

Welche Informationen finden sich zu den Arten?
Die Arten sind alphabetisch nach ihren aktuellen botanischen Namen geordnet; ein Register am Ende erlaubt das Suchen nach deutschen Pflanzennamen. Zu jeder Art gibt es eine Information zu ihrer großräumigen Verbreitung sowie eine Status-Einschätzung, z.B. einheimisch, neophytisch oder eingeschleppt. Dann folgen Angaben zur Ökologie der Art im Nationalpark, zum Vorkommen in bestimmten Pflanzengesellschaften oder zum Zeigerwert der Art. Auch in der Nationalparkregion bekannte volkstümliche Namen werden aufgeführt, sofern diese der Literatur zu entnehmen waren. Den Hauptteil der Beschreibung nehmen die nach Länderanteilen geordneten Fundortangaben ein. Nach Möglichkeit sind aus allen Regionen des Nationalparks Fundorte benannt. Im Literaturverzeichnis sind historisch bekannt gewordene Fundortangaben zusammengestellt. Letzteres erfolgt in der Regel im Originalwortlaut, da eine Reihe der Quellen schwer zugänglich ist. Somit ist eine umfassende Information zu jeder Art gegeben, die sowohl die Geschichte der Beobachtung als auch ihren heutigen Status sehr genau beschreibt.

Kison, H.-U., Ciongwa, P., Czichowski, H.-J., Hammelsbeck, U., Herdam, H., Illig, W., Karste, G., Sprick, P., Thiel, H., Wegener, U. & Störmer, W. (2020): Flora des Nationalparks Harz. – Schriftenreihe aus dem Nationalpark Harz Band 19, 575 Seiten, 1.200 Pflanzenarten, 850 farbige Abb., ISSN 2199-0182, Schutzgebühr: 20,00 Euro.

Das gedruckte Buch ist bei der Nationalparkverwaltung Harz für 20,- € zzgl. Versandkosten erhältlich: Lindenallee 35, 38855 Wernigerode, poststelle@npharz.sachsen-anhalt.de. Zudem steht der Band auf der Nationalpark-Webseite als kostenloser PDF-Download zur Verfügung: https://www.nationalpark-harz.de/de/downloads/Flora-des-Nationalparks-Harz

Fotos:
Wächst in den Hochmooren des Nationalparks Harz – die Gewöhnliche Moosbeere (Vaccinium oxycoccos). Bildautor: Wilfried Störmer
Das Leberblümchen (Hepatica nobilis) kündigt auf kalkreichen Standorten im Nationalpark Harz den Frühling an. Bildautor: Wilfried Störmer