– in einer Tourismusregion muss man mehr tun, um den Kunden in die Busse zu locken
Goslar – Osterode. „Es ist wie so oft im Westharz: Es werden gute Fahrpläne gemacht, aber man verkauft sie schlecht, weil man größere Geldausgaben für die Darstellung und Vermarktung scheut und sich ausschließlich auf die digitalen Medien verlässt. So kommt es, dass die Fahrgäste gerade bei umfangreichen Änderungen nicht klarkommen und der Ruf des ÖPNV unverdientermaßen leidet.“ Michael Reinboth, Fahrplanexperte des BUND und wie viele seiner Mitstreiter an einer besseren Nutzung von Bahn und Bus im Harz in hohem Maße interessiert, verfolgt die aktuelle Debatte um die neuen HarzBus-Fahrpläne mit großem Interesse. Seit Jahren hat er sich der Verbesserung der Darstellung gerade des Busverkehrs im Harz verschrieben und erlebt immer wieder, wie gute Ansätze an unflexiblen technischen Systemen und fehlendem Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden zwar nicht scheitern, aber doch leiden.
Sowohl der Regionalverband Braunschweig als auch der Zweckverband ZVSN in Göttingen haben schon vor Jahren die Herausgabe von Fahrplanbüchern oder Fahrplanheften eingestellt – zu geringe Nachfrage, hieß und heißt es unisono. Stattdessen sollten es Faltblätter für jede einzelne Linie und, natürlich, die elektronische Auskunft richten, da heute jeder über ein Smartphone oder ähnliches verfügt und sich die nächste Verbindung so schnell „ziehen“ kann.
Der Haken bei der Sache: In einem Faltblatt lässt sich eben aufgrund der heutigen unflexiblen Systeme nur genau eine Linie darstellen. Gibt es zwischen A und B mehrere Linien, braucht man auch mehrere Faltblätter. Durchgehende Fahrten über mehrere Linien hinweg lassen sich, wenn überhaupt, nur mit Tricks darstellen. Der geneigte Kunde, der Urlaubsgast zumal, ist hoffnungslos überfordert, wenn er sich die Faltblätter bei den Informationsstellen oder gar beim Zustieg im Bus zusammensuchen muss.
Beispiel Altenau – Clausthal – Langelsheim
„Auf diese Weise gerät eben unter die Räder, dass alle Fahrten der Linie 830 natürlich den Kronenplatz in Clausthal bzw. die benachbarte Haltestelle Adolph-Roemer-Straße bedienen. Letztgenannte Haltestelle kennt die Linie 830 schlicht nicht, weil sie nur von der 840 angefahren wird. Umgekehrt steuern alle von Altenau kommenden Fahrten vor dem ZOB auch den Kronenplatz an, aber eben als Fahrt der Linie 840. Fasst man die 830 und 840 in einer Tabelle zusammen, wird deutlich, dass praktisch jede zweite Fahrt durchgeht und keine einzige am Clausthaler ZOB endet. In der Not hat HarzBus den Hinweis „ohne Umstieg nach Altenau“ angebracht, der aber nicht hilft, weil die Haltestellen ja nicht aufgeführt sind. Ähnliches spielt sich in Langelsheim ab, wo die Fahrten von der 850 auf die 832 übergehen, dies aber aus den Faltblättern nicht hervorgeht. Auch hier würde eine zusammenfassende Darstellung der beiden Linien helfen – aber das kostet Geld und macht Arbeit.“ Und, so fügt er hinzu, man muss höllisch aufpassen, gerade bei verwickelten Linienführungen wie in Clausthal-Zellerfeld. „Mir sind da auch schon Fehler unterlaufen, weil es eben sehr schwer zu überblicken ist und man immer mehrere Blätter nebeneinanderlegen muss.“
In den elektronischen Systemen ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Einige packen es und teilen dem Auskunftssuchenden zumindest mit, dass er im Bus sitzenbleiben kann, auch wenn dieser unter einer anderen Nummer weiterfährt. Andere, die HAFAS-basierten, eben nicht. Und da zwischen Ankunft und Abfahrt stets nur eine oder gar keine Minute liegt, weil der Bus ja weiterfährt, schalten diese Systeme auf stur, deklarieren die Umsteigezeit als nicht ausreichend und ignorieren die gesamte Verbindung oder drücken dem Fahrgast völlig unmögliche Wartezeiten auf.
„Auf der Schiene geben die Gleise vor, wie gefahren wird. Die meisten Systeme sind hierfür und für Großstädte konzipiert, wo streng liniengebunden gefahren wird und an bestimmten Haltestellen immer im Takt umgestiegen werden kann. Für den Busverkehr im ländlichen Raum sind sie nicht geeignet. Da muss man selber ran.“
Beispiel Bad Harzburg – Braunlage – Sankt Andreasberg – Wieda – Zorge – Bad Sachsa
Reinboth nennt, um den HarzBus („die Fahrpläne sind gut“) aus der Schusslinie zu nehmen, zwei andere Beispiele. Die KVG hat alle Fahrten von Bad Harzburg in den Harz und rund um Braunlage unter der Nummer 820 zusammengefasst. Das ist gut für die Darstellung durchgehender Fahrten, da der Computer ja nur diese eine Liniennummer kennt, aber weniger gut für die Darstellung, die enorm aufgebläht wird, und auch für den Kunden, der eine „820“ herannahen sieht, vergnügt einsteigt, um zum Torfhaus zu gelangen, und am Sonnenberg merkt, dass diese „820“ nach St. Andreasberg fährt… „Bei HATIX muss er sein Ziel ja nicht nennen. Aber die KVG-Fahrer können offenbar Gedanken lesen, fragen nach und verweisen den Gast auf den in wenigen Minuten folgenden richtigen Kurs.“ Wieder anders sieht es zwischen Bad Sachsa und Braunlage aus. Da gibt es zwei Linien, die 470 und die 472, eine über Zorge, die andere über Wieda. In den Ferien und am Wochenende überlagern sich die Fahrten dieser beiden Linien zu einem dichten Gesamtangebot – nur merkt es keiner, weil er hierfür zwei Faltblätter nebeneinander legen müsste, um zu erkennen, dass er in Stunde A über Wieda nach Braunlage kommt und in Stunde B über Zorge. Auch hier würde eine Gesamtdarstellung beider Linien helfen, die aber eben auch Geld kostet und überdies dem Computer nicht so ohne weiteres entlockt werden kann. Elektronisch klappt es hier allerdings, weil man gottseidank nicht noch einmal umsteigen muss.
Noch ein Beispiel: An den Haltestellen wird stets nur der Plan der Linie ausgehängt, die dort fährt – und da fehlen dann Angaben über weitergeführte Fahrten und umsteigefrei erreichbare Ziele. Gerade an den Busbahnhöfen von Goslar oder Clausthal-Zellerfeld sowie an von Urlaubern gern genutzten Haltestellen wäre dies aber dringend geboten.
„In einer Tourismusregion muss man mehr tun, um den Kunden in die Busse zu locken. Das 08/15-Programm reicht leider nicht aus. Selbst Einheimische haben ja Probleme – wie soll sich da ein der Harzer Geographie nicht mächtiger Gast zurechtfinden?“ fragt Reinboth.
Solange die Aufgabenträger hier keinen zusätzlichen Aufwand betreiben, wird es so bleiben: Fahrpläne gut, Darstellung schlecht – und vom Start der neuen Pläne an Hypotheken, die nur mit Mühe abgetragen werden können. Diese Erfahrung müssen aktuell der Regionalverband und HarzBus wieder machen. Reinboth bleibt dabei: „Die Fahrpläne sind, wenn man von einigen ärgerlichen, aber abstellbaren Fehlern absieht, gut gelungen. Sie sind besser als alles, was wir vorher hatten. Nur kommt das eben nicht richtig rüber.“ Er hat im Rahmen der Initiative „Höchste Eisenbahn für den Südharz“ nicht nur das große Harz-Kursbuch, sondern auch diverse kleine Fahrplanhefte für Kommunen herausgegeben bzw. entwickelt. „Die sind mit Excel erstellt – das macht viel Arbeit, aber man kann eben auf Besonderheiten viel besser eingehen als mit den Standardprogrammen.“ Seine Hilfe, so der Walkenrieder, könne man gern in Anspruch nehmen – ehrenamtlich, wie es sich gehört.
Foto: Michael Reinboth im Portrait, Foto BUND